Tonopädie

Tonopädie


Der Begriff Tonopädie setzt sich aus den griechischen Worten tonos = Spannung und paideia = Erziehung/Heilkunde zusammen. Im Zentrum steht ein ausgewogener Muskeltonus, der überwiegend durch manuelle Therapeutika wie fasziale Ausstreichungen, chiropraktische Adjustierungen verschobener Wirbelkörper bzw. Gelenke und Triggerpunkt-Therapie (genauer: der in München Anfang des 20. Jahrhundert entwickelten Gelotripsie) wiederhergestellt wird.

Anwendungsgebiete


Tonopädie kann überall hilfreich sein, wo ein fehlerhafter Muskel-/Gewebetonus zu Funktionsstörungen des Bewegungsapparats führt. Mögliche Anwendungsgebiete sind Gelenkschmerzen, Arthrose, Kreuzschmerzen, Knie- und Schulterschmerzen, Tennis- oder Golferellenbogen, Sportverletzungen und vieles mehr. 

Adresse und Kontakt

Buchenstr. 6, D-84574 Taufkirchen/Weiß

tonopaedie@gmail.com

+49 (0)176 / 476 136 70

Tonus und Schmerz


Der Muskeltonus wird durch die viskoelastischen Eigenschaften des Muskel- und Fasziengewebes und das Nervensystem bestimmt. Auf diesen drei Elementen liegt der Fokus der Behandlung. In den Muskeln und den Faszien arbeiten zahlreiche Rezeptoren, die den Körper (vermeintlich) optimal auf erlebte Umweltbedingungen einstellen. Zum Teil bestehen aber auch fasziale Distorsionen (Verformungen), die vom Körper zwar nicht als Schaden erkannt werden, ihn aber dennoch an einer freien Bewegung hindern und zu Irritation und damit Schmerz führen.

Was bedeutet „Tonus“?


Bildlich kann man sich einen Reiter vorstellen, der seine Zügel in leichter Vorspannung hält. Diese leichte Vorspannung entspricht einem normalen Tonus. Sie ermöglicht gezielte Richtungskorrekturen und eine flüssige Bewegung. Werden die Zügel zu straff gehalten, fügt das dem Tier Schmerzen zu – und es reagiert nicht mehr so schnell und elegant, wie es könnte. Werden die Zügel zu locker gelassen, muss erst eine gewisse Wegstrecke überbrückt werden, bis der Befehl des Reiters ankommt. Analog führt ein hoher Muskeltonus zu Verspannungen; der Bewegungsapparat wird an dieser Stelle steif, die Wirbelsäule oder andere Körperareale ziehen sich zusammen. Auf der anderen Seite finden sich zeitgleich oft Bereiche, die verlängern und erschlaffen. Dies sorgt für ruckartige, wenig flüssige Bewegungen. Die beiden Phänomene – Verspannung und Erschlaffung – führen häufig zu Schmerzen. Dazu weiter unten mehr.

SCHON- UND SCHUTZMUSTER


Bei einer Verletzung reagiert der Körper mit bestimmten Schutz- und Schonmustern.


Ein Beispiel: Nach einem Sprunggelenkstrauma (Umknicken) können wir im Regelfall noch gehen. Es sieht nur anders aus – wir humpeln. Dieses Humpeln wird durch unser Nervensystem ermöglicht, das die Normalbewegung modifiziert, sodass der verletzte Fuß (im Regelfall) nach außen rotiert wird und die stoßdämpfenden Elemente unseres Unterschenkels (Scheinbein-Wadenbeingelenk) fixiert werden. Außenrotierende Beinmuskulatur gerät also in einen höheren Spannungszustand (Hypertonus), während die Innenrotatoren, ebenso wie die Streckmuskulatur, deren Aktion uns noch mehr verletzten könnten, schwach geschalten werden (Hypotonus). Ein nach außen rotierter Fuß knickt eben nicht so leicht um – und das Problem ist gelöst: Wir können noch gehen und verletzungsfördernde Bewegungen werden unterdrückt. Das schafft Zeit zur Heilung. Bleiben aber Reste dieses Schutzprogramms bestehen, können sich negative Folgen einstellen: Das Knie arbeitet durch das fixierte Schienbein-Wadenbeingelenk ohne Stoßdämpfung und entwickelt Schmerzen an der Außenseite. Der Schienbein-Kantenmuskel (m. tibialis anterior) entzündet sich durch die Außenrotationsstellung des Fußes. Das kennen auch viele Laufanfänger oder -wiedereinsteiger!

Das Becken verschiebt sich durch die angespannten Außenrotatoren und erschlafften Innenrotatoren des Beines, wodurch die Verbindungsstelle zwischen Wirbelsäule und Becken – das Iliosakralgelenk (ISG) – häufig einseitig blockiert.

So gut wie jede Verletzung wird durch die Wirbelsäule mitkompensiert und führt zu einer (funktionellen) Skoliose, d.h. Schiefstellung!

Dieser Fehler führt wiederum zu massiven Funktionsverschiebungen in der Lendenwirbelsäule: Im Regelfall gleicht der fünfte und letzte Lendenwirbel die Bewegung des ISG wieder aus. Wie eine Kompassnadel macht er die gegenläufige Bewegung. Dies ist nun nicht mehr möglich und wenn der Körper sich nicht entscheidet, das Kreuz so schmerzhaft zu schalten, dass wir nur noch Tippelschritte machen können, übernimmt der vierte Lendenwirbel die Bewegung, die normalerweise zwischen dem fünften Lendenwirbel und dem Kreuzbein stattfinden sollte. Auf Dauer überlastet das vor allem die bindegewebigen Strukturen, die normalerweise extrem stabil sind. In unserem Beispiel wäre es also gut denkbar, dass die Bandscheibe zwischen dem vierten und dem fünften Lendenwirbel durch die lang dauernde fehlerhafte Belastung degeneriert. Damit nicht genug. Die Fehlerspannung setzt sich nach oben fort, denn in der Wirbelsäule kann kein Gelenk nur für sich arbeiten. An alle Migräne-Patienten: ist Ihnen schon aufgefallen, dass in Rückenlage ein Bein weiter nach außen fällt? Meistens beginnt auf der gegenüberliegenden Körperseite die Migräne, richtig?

Tensegrity


Wenn man sich die Belastung der Schädelknochen beim Kauen vergegenwärtigt (siehe Bild), wird deutlich, wie auch Schiefstellungen des Kiefers die gesamte Körperstatik beeinflussen können, denn die Spannung bleibt nicht nur vor Ort – sie verteilt sich im ganzen Körper. Tierische Organismen funktionieren – im Gegensatz zu Bäumen oder Gebäuden – auf dem Kopf. Damit das möglich wird,  werden die Funktionseinheiten elastisch verbunden. In der Therapie bedeutet das: Egal, was gemacht wird, es beeinflusst den ganzen Körper; ähnlich, wie sich ein Luftballon (der auch auf dem Kopf funktioniert) im Ganzen verändert, wenn man in ihn hineindrückt. Dieses Phänomen wird als Tensegrity bezeichnet (tension+integrity) und wird in den Büchern und Vorträgen von James Earls oder Thomas Myers ausführlich beschrieben.

Integrine


Verletzungen führen zu Schon- und Schutzmustern. Durch die spiralige Anordnung unserer Muskulatur gehen diese mit Rotationen einher, die die Spannungsweiterleitung durch die eigentlich dafür gedachten Gelenke und Strukturen (z.B. Knochen) verhindern. Stattdessen werden fasziale und muskuläre Strukturen überlastet. Im faszialen Gewebe selbst kann die Spannung durch sogenannte Integrine zusätzlich umgeleitet werden. Integrine sind die Cousins von Bindegewebszellen und bewegen sich wie Spinnentiere innerhalb der Faszien. An Stellen, an denen die Spannung umgeleitet werden soll, setzen sie sich fest und ziehen – bildlich gesprochen – ihre Beine zusammen. Das Gehirn merkt erst einmal nichts davon, da die Integrine nicht an das zentrale Nervensystem angeschlossen sind. All das schränkt die Bewegungsmöglichkeiten des Körpers ein, nimmt uns Kraft und Elastizität und führt zu Schmerzen. Ziel der Tonopädie ist die Beseitigung dieser Muster.

Fasziale Anpassungen


Fasziale Strukturen sind sehr stabil. Außer, sie werden chronischen Spannungen ausgesetzt. Dann beginnen sie sich zu verformen. So verschiebt man im Übrigen auch Zähne: nicht mit einem gezielten Schlag, sondern mit der Spange. Jede Verletzung kann zu einer solchen Spange für den Körper werden. Diese Eigenschaft des faszialen Gewebes nennt man Thixotropie. Die Viskosität dieses Gewebes ist veränderbar. Wer auf nassem Sand steht, dessen Fuß sinkt langsam ein. Will man den Fuß rasch wieder herausziehen, gelingt das nicht. Dennoch ist ein Sprint über nassen Sand gut möglich. Fasziale Strukturen verhalten sich ganz ähnlich: Sinkt der Therapeut langsam ein, lässt sich das Gewebe verformen. Bei Verletzungsmustern geschieht das Selbe.

SCHMERZ IST IRRITATION


Wer bei einem Unfall sein Bein verliert, kann Phantomschmerzen in dieser Extremität empfinden, die es ja gar nicht mehr gibt.

Eben noch wollte man sich das Gesicht waschen, beugt sich über das Waschbecken und – plötzlich schießt ein „Hexenschuss“ ein. In diesem Fall gab es keinen strukturellen Schaden oder Auslöser; trotzdem ist von jetzt auf gleich keine aufrechte Haltung mehr möglich.


Diese beiden Beispiele veranschaulichen, dass es keine konkrete Ursache für Schmerzen geben muss. Schmerz entsteht im Gehirn. Treffen zu viele irritierende Informationen aus der Körperperipherie ein, die in ihrer Summe für das Gehirn keinen Sinn ergeben – oder ein weiteres Ausweichen für das motorische System nicht mehr möglich ist –, nutzt der Körper den Schmerz, um bestimmte Areale ruhig zu stellen; die empfindlichen Schmerzpunkte befinden sich daher oft an den gleichen Stellen (siehe Bilder). Auf diese Weise gewinnt er Zeit, in der er sich das (vermeintliche) Problem in Ruhe ansehen kann. Auch Entzündungen sind als natürliche Reaktion in vielen Fällen sinnvoll, denn sie sorgen für Ruhigstellung, Funktionsverlust, Schwellung und Überwärmung der Region. Die beiden letzten Punkte stellen eine gute Nährstoffversorgung und die Ruhigstellung sicher. Viele antiphlogistische, d.h. entzündungshemmende Maßnahmen unterbinden diesen Prozess, wodurch echte Verletzungen verschleppt werden und sich (paradoxerweise) erst Recht im Körpergedächtnis festsetzen. Bei der Ruhigstellung selbst werden nicht alle Bewegungsanteile schmerzhaft, sondern nur Teile derselben. Häufig sind es Nebenfunktionen, die im Alltag zwar etwas Kraft nehmen, sonst aber nur bei bestimmten Bewegungen auffallen. So kennen sicher einige das Phänomen, dass das Knie nur dann schmerzt, wenn man nach rechts abbiegt und eine Treppe heraufsteigen will.


ABGRENZUNG ZUR ORTHOPÄDIE, OSTEOPATHIE UND CHIROPRAKTIK


Egal in welchem medizinischen System wir uns bewegen, jedes arbeitet nach Modellen. Es gibt immer eine Vorstellung davon, wie der Körper funktioniert.


In der Orthopädie gilt das Prinzip: „Wenn es der Form nach gesund aussieht, ist es auch gesund. Stimmt die Form, muss es auch funktionieren.“ Die klassische Herangehensweise besteht also darin, das Problem zunächst bildgebend zu erfassen. Ist das Gelenk degeneriert oder gibt es eine Entzündungsreaktion des Körpers oder ist der Nervenkanal des Rückenmarks zu eng, wird das als Ursache des Schmerzes identifiziert und behandelt. Erscheint ein Fuß kürzer, wird er mit Keilen (Einlagen) unterlegt. Ist der Rücken schief, wird ein Korsett verordnet oder der Rücken operativ versteift, damit er wieder gerade erscheint. Ist ein Hüftgelenk arthrotisch, wird ein künstliches Gelenk verbaut usw.

Diese Maßnahmen sind in einigen Fällen unumgänglich. Dennoch erscheint uns der Ansatz nicht immer schlüssig. Man könnte sagen, die Orthopädie handle nach der Prämisse: „Funktion folgt Form. Stimmt die Form, ist alles in Ordnung.“ Die tägliche Praxis zeigt aber, dass es in der Natur genau anders herum ist: Hier folgt die Form der Funktion. Bringt man eine Struktur dazu, gut zu funktionieren, löst das im Gehirn weniger Irritation aus. Weniger Irritation bedeutet weniger Schmerz. Ein zu kurzer Fuß kommt häufig von einem schief gestellten Becken, ebenso wie ein krummer Rücken. Dreht man die Knieachse wieder über den Fuß, verschwinden möglicherweise die Schmerzen im Fuß. Ursache ist hier nicht der „kaputte“ Fuß, den man deshalb auch nicht behandeln muss, sondern die fehlerhafte Spannungsachse, die durch ein Ungleichgewicht der Muskulatur hervorgerufen wird. Alois Brügger stellte bereits in den 1960er Jahren fest, dass bei Friseurinnen zwar die Schultern schmerzen, die Ursache jedoch häufig in einer entzündeten Bauchmuskulatur zu suchen ist. Wurde der Ansatz der Bauchmuskulatur an der Schambeinfuge betäubt, verschwanden die Schulterschmerzen augenblicklich.


Werden muskuläre und fasziale Einschränkungen beseitigt, verschwinden Probleme häufig von selbst. Bei der Behandlung arthrotischer Gelenke muss man sich fragen: Warum konnten sie sich abnutzen? Gibt es hier ein Spannungsungleichgewicht? Ferner muss man sich überlegen, wie der Körper den Schmerz in einem leicht degenerierten Gelenk überhaupt erfassen soll. Gelenke sind sauerstoffarm. Dringt Sauerstoff an die Knorpelzellen, etwa weil ein Gelenk blutet, verknöchert die Knorpelzelle. Dieses Problem ist nur in sehr fortgeschrittenen Fällen von Arthrose zu finden. Deshalb gilt in den meisten Fällen: Wo wenig Sauerstoff ist, leben auch keine Nervenzellen, denn diese gehören zu den sauerstoffhungrigsten Zellen des Körpers. Wo aber keine Nerven sind, kann kein Schmerz entstehen. Es ist in vielen Fällen nicht das Gelenk selbst, sondern dessen irritierte und gereizte Umgebung, die schmerzt.


Die Osteopathie gewinnt hierzulande zunehmend an Boden. Auch wir bedienen uns einiger osteopathischer Techniken, die sich für uns als nützlich erweisen, zum Beispiel dem Positional Release, den INIT (Integrative-Neuromuskuläre-Inhibitions-Techniken) oder einigen Faszien-Techniken.

In der Osteopathie herrscht die Annahme vor, dass ein reibungsloses Gleiten und wohlproportioniertes Vorhandensein von Flüssigkeiten dafür sorge, dass im Körper alles perfekt funktioniere. Eine ähnliche Vorstellung hatte bereits die alte griechische Medizin. Unsere Behandlungform ist allerdings „härter“ als die der eher „weichen“, sanften Osteopathie. Wir glauben: Ein Körper muss einen Reiz bekommen, den er versteht. Dazu arbeiten wir über der Reizschwelle, die oftmals als schmerzhaft empfunden wird. Viele Patienten schildern uns auch eine Art „guten Schmerz“.


Wir nutzen die Chiropraktik dort, wo wir eine rasche Korrektur anstreben. Allerdings beobachtet man in der Praxis häufig, dass Wirbel immer wieder subluxieren („heraus springen“), wenn sie einfach nur reponiert werden. Unser grundsätzlicher Anspruch ist, das ursächliche Problem zu identifizieren und zu beseitigen. Es gibt in den meisten Fällen einen Grund, warum der Wirbel oder das Gelenk seine Position verlassen hat! In der Chiropraktik ist das Nervensystem das, was für die Osteopathie die Flüssigkeiten und in der Orthopädie die Bildgebung ist. Das Nervensystem wird durch einen verschobenen Wirbel übererregt, womit zahlreiche Probleme, wie Sodbrennen, Magen-,Verdauungsprobleme, sexuelle Funktionsstörungen usw. erklärt werden. Möglich machen das die sogenannten Interneurone (Dogiel‘sche Zellen), die pro Wirbelsegment je ein Haut- und ein Muskelareal sowie ein oder mehrere Organe versorgen.

WEITERE ZUTATEN DER TONOPÄDIE


Neben osteopathischen und chiropraktischen Techniken bedienen wir uns am Fasziendistorsionsmodell von Typaldos (FDM), der bestimmte Verformungen im Fasziengewebe für verschiedene Schmerzzustände identifiziert hat. Ferner nutzen wir die Erkenntnisse des Schweizer Neurologen, Orthopäden und Psychiaters Alois Brügger, der feststellte, dass gewisse Muskeln nur im Verbund oder während ihrer Arbeit selbst schmerzhaft werden. Meist sind nur gewisse Bewegungsareale blockiert und damit schmerzhaft, während andere völlig ungestört funktionieren. Mit gezielten agistisch-exzentrischen Kontraktionsmaßnahmen und physikalischen Hilfsmitteln (gezielte Wärme/Kälte) lässt sich der normale Tonus der Muskulatur wiederherstellen.